Weissmies NW-Flanke (Normalweg)
Um uns für unsere Hochtouren zu akklimatisieren verbringen wir unsere Urlaube abwechselnd in Zermatt und Saas-Fee, wandern dort 1½ Wochen und machen danach noch einen leichten Viertausender, bevor es dann ans eigentliche Projekt geht. So auch dieses Jahr. Wir hatten uns bei Wanderungen mit einem Anspruch von täglich zwischen 1000 und 1500 Höhenmetern in Saas-Fee ganz gut an die Höhe angepasst und wollten das Weissmies nun als „warm-up“ für Mönch und Jungfrau nutzen. Im Führer mit PD- angegeben, 1050mH zum Gipfel und im Wesentlichen nur der ausgelatschten Spur nachlaufen – eigentlich der optimale Berg dafür.
Erstbegehung: Jakob Christian Häusser und Peter Josef Zurbriggen; August 1855
Ausgangspunkt: Hohsaashaus (3101m). Entweder mit der Gondel von Saas-Grund (39 CHF retour) hinauftragen lassen oder in 4½ Std. über Kreuzboden und Weissmieshütte aufsteigen (1540 mH).
Zustieg: Rechts (in Blickrichtung Weissmies) am Hohsaashaus vorbei auf breitem Weg zum Triftgletscher (5 min).
Länge: 920 mH, 3½-4 Std.
Schwierigkeit: PD-, 40°
Abstieg: Über den Aufstiegsweg (2-2½ Std.) oder im Zuge einer Überschreitung über S-Grat zur Almageller Hütte (2894m).
Weitere Routen: | S-Grat (alter Normalweg); PD, I N-Grat; D, IV- |
Tipp/ Planung: Schnelligkeit bedeutet an diesem Berg wirklich Sicherheit! Der extrem schnell aufweichende Firn auf dem spaltenreichen Triftgletscher stellt ein ernstzunehmendes Problem dar. Also beim ersten Tageslicht aufbrechen und auf zügiges Vorankommen achten.
Die Anstiege auf’s Weissmies auf der WNW-Seite
Der Weg im Detail. Gut zu sehen: Die Spaltenzone
Wir sparten uns den untersten Teil des Hüttenzustieges, fuhren mit der Seilbahn nach Kreuzboden und begannen von dort den Aufstieg zum Hohsaashaus (3098m). Prinzipiell ein einfacher Aufstieg, der jedoch erschwert wurde durch ein weitläufiges Schneefeld im oberen Teil des Weges, welches durchgehend aus Bruchharsch bestand und jeden Schritt zum Abenteuer werden lies.
Auf besagtem Schneefeld beim Aufstieg zum Hohsaas
Wir erreichten das Hohsaas gegen Mittag. Die Hütte war gerade erst erneuert worden, sodass alles noch ganz neu roch und wir drei ein Zimmer für uns hatten, einen Luxus, den ich sonst noch nirgends erlebt habe. Nachdem ich schon einmal den ersten Abschnitt des Weges über den Gletscher erkundet hatte und nach einem guten Abendessen lagen wir um halb Elf in den Betten.
Am nächsten Morgen, nach einer Nacht, bei der man sich morgens fragt warum man sich abends eigentlich hingelegt hat, standen wir um 4.30 Uhr auf und nahmen ein kurzes Frühstück ein. Um diese Uhrzeit war draußen schon ein wenig Licht, sodass sich die Wegsuche nicht allzu schwierig gestalten sollte. Der Weg über die breite Rampe hinunter zum Gletscher war schnell zurückgelegt. Wir schnallten die Steigeisen an und folgten der Spur, die zunächst auf der linken Seite des Gletschers nahe den Felsen verlief. Nach etwa einer halben Stunde zog der Weg nach rechts und querte über den Gletscher hinüber zu dessen südlicher Seite. Einige beunruhigend offene Spalten und tief eingesunkene Fußstapfen verrieten uns, dass man sich dort am Nachmittag besser nicht mehr aufhielt. Nachdem wir auf der rechten Seite des Gletschers angekommen waren, führte der Weg nun immer mehr ansteigend auf einen steilen Firnhang zu. Dieses Wegstück ist vom Hohsaas gut einsehbar und wir hatten uns am Vortag schon gewundert, warum die Spur hier an manchen Stellen meterbreit ausgetreten war. Jetzt erkannte wir den Grund: An diesen Stellen lagen breite Spalten, deren Schneebrücken durch die vielen Aspiranten schon sehr in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Sehr vorsichtig überquerten wir diese, wobei der Adrenalinpegel teilweise in beachtliche Höhen schnellte, woran die Löcher in den Brücken, an denen bereits unsere Vorgänger mit den Füßen eingebrochen waren und aus denen grüßend ein eisiger Wind empor wehte, wohl nicht ganz unschuldig gewesen sein dürften… Wir erreichten den Firnhang, der mit einer Steilheit von 40° kein besonderes Hinderniß darstellte. Es gab hier sowohl eine Auf- als auch eine Abstiegsspur. Während die Aufstiegsspur in angenehmem zick-zack hinaufführte, kennzeichnete eine breite Trasse, die mehr einer Riesenrutsche glich als alles anderem, die Abstiegsvariante. Doch kurz bevor wir den Bergrücken erreichten, erhielten wir schon einmal einen kleinen Vorgeschmack auf den Abstieg. Hier oben schien nämlich schon seit kurzer Zeit die Sonne auf den Schnee, wodurch die gefrorene Oberfläche weich geworden war. Das hatte zur Folge, dass ich plötzlich bis zur Hüfte einbrach, wobei ich unglücklicherweise mit einem Zacken des Steigeisens meinen Oberschenkel erwischte und mir einen blutigen Kratzer zufügte. Wir beschleunigten daraufhin unseren Aufstieg ein wenig weil wir uns ausrechnen konnten wie schlecht der Schnee wohl werden würde, wenn schon in den frühen Morgenstunden hier Sulz zu finden war. Die Spur führte nun zunächst gerade auf den Westgipfel zu, unterlief diesen jedoch in einer Linkskurve und strebte dem überwächteten Grat folgend in direkter Linie dem Gipfel zu. Zusammen mit uns erreichten auch gerade ein paar andere Bergsteiger auf der Route über die Almageller Hütte den höchsten Punkt, sodass dort oben richtig was los war.
Auf dem Weissmiesgipfel (4023 m)
Nachdem wir die obligatorischen Gipfelfotos geschossen hatten machten wir uns schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit an den Abstieg um dem fauler werdenden Firn zuvorzukommen. Doch schon kurz unterhalb des Gipfels erreichten wir eine Schneebrücke, die man nur noch rutschenderweise überqueren konnte. Ähnlich verlief auch der weitere Abstieg und noch heute denke ich mit Grauen an die Spaltenzone im unteren Teil zurück, deren Schneebrücken schon beim Aufstieg schlecht gewesen waren. Trotzdem erreichten wir glücklich das Hohsaas, wo wir uns erst einmal ein größeres Bier genehmigten, bevor wir uns von der Gondel sanft in Tal schaukeln liessen. Aber immer wird mich die Narbe, die ich von dem Kratzer am Oberschenkel behalten habe mahnen, auch vor „leichten“ Hochtouren einen gewissen Respekt zu bewahren.
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