"Bergsteigen ist mehr als Sport. Es ist eine Leidenschaft" (Herrmann Buhl)

Tofana de Rozes – Lipella Klettersteig

Während die Wildheit von Tofana di Mezzo und Tofana di Dentro ein wenig durch die Seilbahn gezähmt ist, präsentiert sich die Tofana de Rozes als nach wie vor sehr alpiner Berg – auf diesen Gipfel gibt es keine kurzen Wege. Auf ihrer aufgrund der Bänderstruktur an die Brenta erinnernden Westseite verläuft der Lipella Klettersteig, der diese Struktur geschickt nutzt und sich treppenstufenartig bis Tre Dita, einem kleinen Sattel auf der Nordseite, hinaufwindet. Es handelt sich um einen von den Einzelstellen her sicherlich nicht übertrieben schweren, aufgrund der Gesamtanforderungen hinsichtlich Tourenlänge, Abgeschiedenheit und Höhe aber sehr fordernden Klettersteig, der nur bei stabiler Wetterlage angegangen werden sollte. Für denjenigen, der den Anforderungen gewachsen ist, wird der Lipella Klettersteig aber ein großartiges Erlebnis werden und sollte in keinem Tourenbuch eines ambitionierten Ferratisten fehlen. Achtung: Stirnlampe nicht vergessen!


Schwierigkeit: C/D

Zeittafel (ohne Pausen):

  • Zustieg zum Klettersteig: 1 ½ Std.
  • Lipella Klettersteig: 3 ½ Std.
  • Abstieg: 2 ½ Std.

Startpunkt: Rifugio Angelo Dibona

Übersicht über den Zu- und Abstieg

Eigentlich ist heute der Tag der Heimfahrt, doch ich mag die Dolomiten nicht ohne eine letzte Tour verlassen. Daher heißt es für mich sehr früh aufstehen um nach der Tour nicht erst am späten Abend zuhause zu sein. Entsprechend stehe ich schon um 6:45 Uhr auf dem Parkplatz am Rif. Dibona (2037 m). Der Himmel ist tiefblau, die Tofanen sind an ihren Spitzen in Sonnenlicht getaucht und es verspricht ein herrlicher Tag zu werden. Über Weg Nr. 404 quere ich die Südseite der Tofana de Rozes, genieße die prächtige Morgenstimmung und schwelge in Erinnerungen an den „Pilastro“.

Traumhafte Morgenstimmung

An einem kleinen Sattel am Ende der Südflanke geht es rechts um die Ecke und gegen 7:30 Uhr erreiche ich den Einstieg des Klettersteigs an einer Platte. Über Metallkrampen und eine Leiter geht es steil hinauf (A/B) zu einer Art Balkon. Dieser geht über in einen feuchten und ein wenig unheimlichen Stollen, der nun steil bergan führt und eine erstaunliche Länge hat, sodass ich doch recht froh bin, als er endlich zu Ende ist und ich wieder Tageslicht erblicke.

Die Einstiegsplatte (A/B)

Am Ende der Platte erreicht man eine Art Balkon…

…der dann in einen langen Stollen übergeht

Man befindet sich nun auf der Westseite des Berges – eine sehr abgeschiedene aber auch sehr schöne Gegend. Tief unten das Travenanzestal, gegenüber die Fanesspitzen. Auch hier kommen wieder schöne Erinnerungen vom Tomaselli Klettersteig hoch… Über einen Pfad geht es jetzt in eine lange Querung wobei man ärgerlicherweise wieder 50 hart erkämpfte Höhenmeter verliert. Nach einer ganzen Weile wird wieder Eisen erreicht und es gilt eine Wand hinauf (zunächst A/B, dann kurz C/D und nach oben hin B) auf das nächste Band zu ersteigen, welches wiederum gequert wird (A/B).

Blick ins Val Travenanzes, links oben die Fanesspitzen

Am Ende der langen Querung geht es über einen Aufschwung sehr direkt auf das nächsthöhere Band

Querung auf dem Band (A/B)

Da es die letzten Tage viel geregnet hat, ist es auf dem schattigen Band noch sehr feucht, überall läuft das Wasser aus den Felsspalten und so ist der Steig teilweise recht heikel zu begehen. Erneut geht es senkrecht eine Wand hinauf (zunächst B, dann B/C) zum nächst höheren Band und auch dieses läutet eine Querung ein (A).

Wieder in der Querung auf dem nächsthöheren Band

Steiler Aufschwung (B/C)

Über einen Aufschwung (B/C, dann A und A/B) erreiche und übersehe ich fast Tre Dita (2694 m). Ich bin gerade so richtig schön im Flow und verweile daher nicht sondern gehe gleich weiter.

Blick auf Tre Dita

Eine lange Rechtsquerung leitet zu einem riesigen Kessel, durch den man zentral aufsteigt (Abschnitte B/C, vielfach auch A und A/B) und ihn in seinem oberen Teil über ein Band und eine nachfolgende Wand nach rechts verlässt (Einzelstelle C, ansonsten Stellen B/C und A/B).

Der große Kessel

Die letzten Meter beim Ausstieg aus dem Kessel (A/B)

Jetzt ist das Ende der Schwierigkeiten erreicht und der Gipfel nur noch etwa 250 Hm entfernt. Über einen schmalen Pfad steige ich – stets dem Gipfelgrat folgend – hinauf und erreiche den höchsten Punkt (3225 m) um 9:15 Uhr. Aufgrund der frühen Uhrzeit bin ich ganz alleine hier oben – welch ein Privileg. Allerdings ist es furchtbar windig und kalt, sicher nur wenige Grad über 0. Das Panorama ist wirklich traumhaft. Überall ziehen die Wolken hinauf sodass nur noch die Berge hinausschauen – „über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ geht mir durch den Kopf… Ich finde zum Glück eine windgeschützte Stelle und genieße diesen seltenen Moment des Friedens.

Am Ende des Klettersteigs wartet noch ein knackiger Aufstieg bis zum Gipfel – dieser sieht auch näher als er ist…

„Über den Wolken…“

Doch bereits nach 25 min ist es mir einfach zu kalt und ich beginne den Abstieg. Zunächst ein Stück den Aufstiegsweg zurück bis von rechts der Weg vom Rif. Giussani einmündet. Auf diesem steige und klettere ich durch die unübersichtliche und oft schlecht markierte Ostflanke hinab zu besagtem Rifugio (2580 m). Dort tauche ich in die Wolken und folge dem sehr komfortablen Weg Nr. 403 hinab zum Rif. Dibona wo ich gegen 11 Uhr anlange. Ein bisschen wehmütig steige ich ins Auto – jetzt geht es endgültig nach Hause. Doch das Zitat von Rabindranath Thakur stimmt mich wieder positiv: „Schöne Tage – nicht weinen dass sie vergangen, sondern lächeln, dass sie gewesen“.

Rifugio Giussani

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