Eiger Mittellegigrat – Integral

Der Eiger! Neben dem Matterhorn wohl der bekannteste Berg der Schweiz, Schauplatz von Triumphen und Tragödien gleichermaßen und in den Köpfen aller Bergsteiger (und Nichtbergsteiger) untrennbar mit seiner Nordwand verbunden. Gleichwohl hat der Berg an Routen noch wesentlich mehr zu bieten, als die „Heckmair“. Einen wunderschönen und anspruchsvollen Anstieg vermittelt der Nordost- oder Mittellegigrat, der sich, ausgehend vom Ostegg, in über 3,5 km Länge zum Gipfel aufschwingt. Doch die Unternehmung hat einen Schönheitsfehler, denn üblicherweise wird die Besteigung des Mittellegigrats von der gleichnamigen Hütte aus gestartet – womit letztendlich gerade einmal das letzte Drittel dieses eleganten Grates erklettert wird. Wer wirklich den gesamten Grat begehen möchte, startet in der Ostegghütte und hat die Wahl, die dann allerdings sehr lange Tour an einem Tag durchzuziehen, oder es gemütlicher anzugehen und die Tour auf zwei Tage aufzuteilen, was durch die Mittellegihütte ja ganz einfach möglich ist.

Erstbegehung: Unterer Mittellegigrat: Saburo Matsukata, Samitaro Uramatsu, Emil Steuri und Samuel Brawand; 06.08.1927; Oberer Mittellegigrat: Yuko Maki, Fritz Amatter, Samuel Brawand und Fritz Steuri; 10.09.1921

Ausgangspunkt: Ostegghütte (2317 m), zu erreichen in 2 ½ – 3 Std. von Alpiglen

Länge: ↑ 1653 mH, 8 – 10 Std. ↓ 506 mH (ca. 200 mH Gegenanstieg), 3 – 5 Std.

Schwierigkeit: D, V+

Abstieg: Entweder so wie wir über den S-Grat und die Eigerjöcher zum Jungfraujoch, oder über die W-Flanke (4 – 5 Std.) zur Kleinen Scheidegg

Weitere Routen: N-Wand: „Heckmair“; TD, V+, 50-70°

Tipp/ Planung: Wer wie wir die Tour an einem Tag plant, muss zügig unterwegs sein, denn rechnet man die Zeiten, so wie sie im SAC-Führer für die einzelnen Abschnitte veranschlagt werden, zusammen, so kommt man auf eine Tourenlänge von 15 – 19 Std… Strategisch von Vorteil ist natürlich die Mittellegihütte, denn so kann man den mitzuschleppenden Wasservorrat durch die Möglichkeit, ihn dort wieder auffüllen zu können, sehr gering halten. Der Mittellegigrat sollte auf jeden Fall bis in die Gipfelregion schneefrei sein, denn der abwärts geschichtete Charakter des Felses macht das Klettern im Falle einer Vereisung sehr heikel und damit auch sehr zeitaufwändig, sodass die Tour dann wohl nicht mehr an einem Tag machbar ist. Und noch ein Wort zur Absicherung: Der gesamte Grat, insbesondere der untere Teil zwischen Mittellegi- und Ostegghütte ist sehr gut mit Bohrhaken ausgestattet, auch die beiden SL am „Hick“ sind so bestens abgesichert. An den Abseilstellen befinden sich zwischendurch so viele Haken, dass praktisch mit jeder beliebigen Seillänge abgeseilt werden kann.

Eiger MittellegigratÜberblick über die Tour

Ich hatte mich mit meinem Bergführer Raphael (hier ist der link zu seiner Homepage, ich kann ihn nur wärmstens weiterempfehlen) auf der Ostegghütte verabredet. Ich parkte mein Auto auf dem großen Parkplatz in Grindelwald Grund und nahm die Zahnradbahn bis nach Alpiglen (1616 m). Dort startete ich gegen 13:45 Uhr den Aufstieg zur Ostegghütte (2317 m), eine genaue Beschreibung des Weges findet sich hier. Dort angekommen bin ich zunächst alleine, denn Raphael ist schon ein Stück des Aufstiegsweges weitergegangen, damit wir am nächsten Morgen in der Dunkelheit nicht lange suchen müssen. Die Mittellegihütte ist nicht bewartet, man erhält bei Grindelwald Sports den Code für den Schlüsselkasten (dieser befindet sich in der Toilette). In der Hütte ist von Wasser über Cola, Bier und Wein alles vorhanden, auch eine riesige Auswahl an überschüssiger Tütennahrung. Durch eine Regentonne gibt es fließendes Wasser, außerdem ist die Hütte mit einem Holzofen und einem Gasherd ausgestattet. Der Abend vergeht wie im Flug und so liegen wir denn auch relativ zeitig in den Betten, um noch ein wenig Schlaf zu finden.

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Die Ostegghütte ist perkt eingerichtet, es fehlt an nichts

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Gemütliche Sitzecke, es liegen sogar Topos der Tour aus

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Abendstimmung, ganz hinten in Gold der Thuner See

Tagwache um 2:45 Uhr, Aufbruch gegen 3:15 Uhr. Es geht auf einem schmalen Pfad über Geröll und Felsbänder immer schräg rechts hinauf, bis vor ein Felsbollwerk. Hier nun schräg nach links bzw. gerade hinauf, teilweise in leichter Kletterei (maximal II) bis man der Grat im Sattel zwischen Ostegg und den Hörnli erreicht (¾ Std. von der Hütte, Markierung mit Steinmännern). Hier folgt man nicht dem z.T. unbegehbaren Grat, sondern quert ein Stück nach rechts unter einer mit Runsen durchsetzten Flanke, bis ein Nebengrat erreicht wird. In schöner Kletterei (II – III) über diesen hinauf bis zum Loch. Hier muss von der einen Seite des Grates auf die andere gewechselt werden, wobei der Übergang durch ein schmales Loch in der Gratflanke vermittelt wird (¾ Std. vom Sattel).

143Beim Durchschlupf durch das Loch

Endlich wird es ein wenig heller und wir können die Stirnlampen ausmachen. Allerdings ist es stark bewölkt und es fallen sogar einige Regentropfen. Da aber eigentlich besseres Wetter gemeldet ist, beschließen wir weiter zu gehen und auf die Wettervorhersage zu vertrauen. Vom Loch geht es nach links, ein Stück in der Flanke hinauf zurück auf den Grat. Hier befindet sich auch ein Fixseil, wobei dieses mit Vorsicht zu genießen ist. Zum Zeitpunkt unserer Begehung war eine Stelle fast komplett durchgescheuert, sodass Raphael diese durchtrennte und die beiden Seilhälften durch einen Knoten neu verband. Weiter geht es über den Grat, wobei die Schlüsselstelle, der sogenannte „Hick“, ein markanter und auch aus dem Tal sichtbarer Einschnitt im Grat, nun schon ganz nahe ist und gut eingesehen werden kann. Den ca. 60 m langen Abstieg in den „Hick“ kann man laut Führer wohl abklettern, da aber genügend Bohrhaken zum Abseilen vorhanden sind und der dachziegelartige, abschüssige Fels nicht wirklich dazu einlädt, werden wohl die meisten Seilschaften diese Stelle – so wie wir – abseilend überwinden (3x abseilen mit einem 50 m Seil).

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Beim Abseilen in den „Hick“

156Rückblick auf das Gratstück zwischen Loch (befindet sich nicht sichtbar unterhalb des Grates am linken Bildrand) und „Hick“

Die nun folgende Schlüsselstelle der Tour besteht aus zwei Seillängen anstrengender Kletterei. Über einen Riss gerade hinauf (erst IV, dann V-), ca. 10 m, dann Linksquerung (ca. 10 m) über eine glatte Platte, die zwar gute Griffe, für die Füße jedoch ausschließlich Reibungstritte aufweist (V+, aber dank einer Schlinge und zwei Eisenstiften auch A0 möglich) zum Stand. Die zweite Seillänge führt dann senkrecht durch eine Rissverschneidung hinauf (V, ca. 30 m).

Eiger Mittellegigrat Schlüsselstelle

Überblick über die beiden Seillängen am „Hick“, die erste Seillänge ist leider verdeckt, doch die Schlüsselstelle kurz vor dem Stand ist sichtbar

148Raphael in der ersten Seillänge, am Beginn der Linksquerung hinüber zum Stand

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Kletterei über die glatte Platte (V+) in der ersten Seillänge

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Rückblick auf die Schlüsselstelle

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Raphael in der zweiten Seillänge (V)

Nun muss nur noch ein kurzer Aufschwung überwunden werden (II – III), dann geht es wesentlich leichter, größtenteils in Gehgelände direkt über den Grat zügig zur Mittellegihütte (3355 m, 4 ½ Std. von der Ostegghütte).

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Nun wird der Grat deutlich einfacher

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Teilweise im Gehgelände geht es zügig in Richtung Mittellegihütte

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Kurze Kletterei unterhalb der Hütte

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Ankunft an der Hütte, leider ist immer noch alles in Wolken

Hier machen wir eine halbe Stunde Rast und versorgen uns mit frischen Getränken. Leider ist der Mittellegigrat nach wie vor in Wolken, sodass wir den weiteren Gratverlauf nicht sehen können. Von der Hütte zunächst ein kurzes, fast ebenes Stück Grat bis zum ersten Aufschwung, an dem auch die erste Fixseilpassage folgt.

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Nach der Hütte ist der Grat zunächst fast eben

179Schon nach 10 min erreicht man die ersten Fixseile. Im Hintergrund der Mönch (der Felssattel rechts unterhalb davon ist das nördliche Eigerjoch) – bis dahin ist es noch ein weiter Weg…

Es geht nun über mehrere Aufschwünge, die oft, aber nicht immer mit Seilen versehen sind, sodass auch bis zum IV Grat frei geklettert werden muss. Die letzten 200 Hm fallen mir wirklich schwer, denn jetzt macht sich die mangelnde Akklimatisation endgültig bemerkbar, zudem wir aufgrund der Länge der Tour auch ordentlich Gas gegeben haben. Doch schließlich flacht der Grat ab und wir erreichen, zuletzt über Schnee, um 11 Uhr den Eigergipfel (3970 m; 2 ¾ Std. von der Mittellegihütte).

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Die Kletterei an den Fixseilen ist recht anstrengend

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Teilweise muss aber auch bis zum IV. Grad frei geklettert werden

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Der letzte große Aufschwung, danach flacht der Grat ab

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Rückblick zum Ostegg (von der Wolke verdeckt)

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Auf dem nun verfirnten Grat kurz unterhalb des Gipfels

Da sich die Wolken ringsherum immer mehr verdichten rasten wir nur kurz und machen uns gleich auf in Richtung der Eigerjöcher. Wir steigen den Grat ab, bis er immer steiler wird. Hier sind viele Bohrhaken vorhanden, an denen wir uns 4x 25m abseilen. Dann geht es weiter in 10 min ins nördliche Eigerjoch (3614 m).

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Abseilen ins nördliche Eigerjoch

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Der unterste Teil wird wieder abgestiegen, unten das Joch

Jetzt kommt der gemeinste Teil der gesamten Tour: Knappe 200 Hm Gegenanstieg. Dieser gliedert sich in drei Aufschwünge, der erste noch kurz, der zweite und dritte länger. In den Firnpassagen verfolgt man dabei den Grat an seiner Schneide, in den Felsabschnitten wird dieser teilweise verlassen und in der rechten Flanke aufgestiegen. Insbesondere beim dritten Aufschwung muss noch einmal richtig bis zum IV. Grat geklettert werden. Dann folgt noch ein kurzes Stück über einen fast ebenen Felsgrat, der schließlich in Firn übergeht und im südlichen Eigerjoch (3747 m) in den Gletscher des oberen Ischmeeres mündet. Von dort geht es in feinstem Sulzschnee in einer Rechtskurve an der O-Flanke des Mönchs hinab bis unter das Mönchsjoch (3624 m), wo ein letzter Gegenanstieg wartet. Vom Mönchsjoch in einer ½ Std. zum Jungfraujoch (3464 m), das wir nach 11 ½ Std. Tour erreichen (3 ¾ Std. vom Eigergipfel).

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An dem Gegenanstieg zwischen den beiden Eigerjöchern muss noch einmal richtig geklettert werden

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Vom südlichen Eigerjoch ist es dann nur noch ein leichter, aber sulziger Gletscherhatscher

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