Spaghetti-Runde Tag 2: Liskamm-Überschreitung, Ludwigshöhe, Schwarzhorn, Vincentpyramide, Pta Giordani
Der zweite Tag der Spaghetti-Runde stellt gleichermaßen Höhepunkt und größte Herausforderung dar: Die Liskamm-Überschreitung. Verschrien als Menschenfresser, gefürchtet wegen der Wechten – und doch eine grandiose Tour. Und in der Tat, die Wechten verlangen durchgehend höchste Aufmerksamkeit. Andererseits ist auch hier das Risiko kalkulierbar, zumindest wenn man nicht blind der Spur hinterhertappt und darauf vertraut, dass sie schon korrekt angelegt worden sei. Für Bergsteiger, die die Anforderungen sicher beherrschen, kein Problem mit der Ausgesetztheit haben und gut akklimatisiert sind stellt diese Tour sicher ein absolutes Juwel in den Alpen dar. Für alle, denen der Liskamm eine Nummer zu groß ist, bietet sich die ebenfalls schöne Umgehung über den Nasopass an.
Ausgangspunkt: Rifugio Quintino Sella (3585 m)
Endpunkt: Rifugio Gnifetti (3625 m) oder Rifugio Mantova (3498 m)
Länge: ↑ ca. 1363 mH, ↓ ca. 1323 mH; insgesamt 9-10 Std.
Unsere Zeiten:
Sella-Hütte – Felikjoch: 1 ¼ Std.
Felikjoch – Liskamm-West: 1 ½ Std.
Liskamm Überschreitung: 1 ¼ Std.
Liskamm-Ost – Lisjoch: ½ Std.
Lisjoch – Schwarzhorn – Ludwigshöhe: 2 Std.
Ludwigshöhe – Vincentpyramide: ¾ Std.
Abstieg zur Pta Giordani: 1 ½ Std. (Verhauer – normalerweise ca. 1 Std.)
Schwierigkeit: Likamm-Überschreitung: AD, II, 45°; Schwarzhorn: PD, 50°; Ludwigshöhe: PD, 40°; Vincentpyramide: F, 35°; Punta Giordani: PD, II (im Abstieg von der Vincentpyramide)
Tipp/ Planung: Natürlich müssen die ganzen kleineren Gipfelchen nicht alle an diesem Tag gemacht werden, vielmehr kann man die Besteigungen nach eigenem Gusto auf Tag 2 und Tag 3 aufteilen. Allerdings bietet die Liskamm-Überschreitung nicht unbedingt ein tagesfüllendes Programm und was gemacht ist, ist gemacht…
Wecken um 4 Uhr, um 5.15 Uhr stehen wir abmarschbereit vor der Sella-Hütte. Wir reihen uns in die lange Schlange, die hinauf zum Felikjoch zieht, ein. Langsam wird es Tag und wir genießen die schönen Farbspiele. Doch auch heute weht wieder ordentlich Wind, was wir bei der Ankunft im Joch zu spüren bekommen. Nach dem Joch geht es ein kurzes Stück bergab und beginnt dann wieder anzusteigen in Richtung Liskamm.
Anrödeln morgens um 5.15 Uhr vor der Sella-Hütte
Auf dem Weg zum Felikjoch. Über uns der Castor aus ungewohnter Perspektive
Angekommen im Felikjoch. Blick hinauf zum Castorgipfel – hier sind wir gestern heruntergekommen
Hier halten wir an und formieren uns um von zwei 3er Seilschaften zu drei 2er Seilschaften. Der anfangs breite Rücken wird nun immer mehr zum Grat, der dann schließlich in der 40-45° steilen Firnflanke des Liskamm W-Gipfels mündet. Hier ist der Schnee noch sehr hart, teilweise schimmert sogar das Eis durch, sodass wir beim Steigen gut Acht geben müssen. Im zick-zack geht es hinauf, dabei folgt eine Seilschaft der anderen und man kann nur hoffen, dass keiner den Halt verliert, da dies unweigerlich in einem Mitreißunfall größeren Ausmaßes enden würde. Endlich flacht die Flanke ab. Die Freude darüber, den Gipfel so schnell erreicht zu haben stellt sich jedoch als Illusion heraus, denn wir befinden uns erst auf dem Vorgipfel (4447 m). Von hier geht es über einen einfachen Grat hinüber zum nahen Hauptgipfel (4479 m).
Blick vom Felikjoch hinüber zum Liskamm. Der weitere Weg führt nun immer den Grat entlang
Unterwegs am Grat, vor uns die Firnflanke des W-Gipfels
Die Firnflanke ist im Grunde nicht schwierig, doch bei so vielen Seilschaften macht man sich schon Gedanken über einen Mitreißunfall…
Vom Vorgipfel leitet ein einfacher Grat hinüber zum Hauptgipfel
Arthur und ich sind als erste Seilschaft unserer Gruppe hier angekommen und können nun die anderen beim Aufstieg beobachten. Neugierig gehen die Blicke natürlich auch in Richtung des O-Gipfels und damit des Weiterwegs. Mittlerweile ist es 8 Uhr. Als alle da sind geht es endlich weiter. Sofort befindet man sich in maximal ausgesetztem Gelände – Stolpern ist nicht!
Auf zur Überschreitung!
Zu Beginn ist der verschneite Grat stets mit Felspassagen durchsetzt
Zwischendurch gibt es aber auch wieder reine Firnabschnitte
Bereits nach kurzer Zeit erreichen wir die „Schlüsselstelle“ in Form eines 10 m langen Abstiegs in plattigem 2er Gelände. Ein Bohrhaken entschärft allerdings diese Stelle, sodass wahlweise der Abstieg (bzw. bei der Überschreitung in Gegenrichtung der Aufstieg) nachgesichtert oder komplett abgeseilt werden kann. Nach Überwinden eines kurzen, steilen Absatzes wird etwa 5 m nach links zum Schneegrat zurückgequert.
Die „Schlüsselstelle“
Ein Fixseil hilft über den kleinen Absatz vor der Linksquerung
Nun folgen eigentlich keine größeren Schwierigkeiten mehr, die Aufmerksamkeit darf allerdings nie nachlassen, denn auch heute kann man erahnen, warum der Liskamm den wenig schmeichelhaften Titel „Menschenfresser“ verliehen bekommen hat: Wechten gibt es hier fast überall und die Spur ist nicht immer vollkommen verlässlich gelegt. Nach einer Weile erreichen wir den Sattel unterhalb des O-Gipfels, von dem aus noch ein Gegenanstieg von gut 50 mH zu machen ist. Ganz schön anstrengend auf 4500 m! Aber zum Glück hat jeder Anstieg auch ein Ende und so stehen wir um 9.15 auf dem Liskamm O-Gipfel (4527 m).
Nach der Schlüsselstelle folgt ein reiner Schneegrat
Blick aus dem Sattel unter dem O-Gipfel zurück zum W-Gipfel
Wechten gibt es hier wirklich zuhauf
Blick hinab auf den ersten Teil des Abstiegsweges
Von hier genießt man einen prächtigen Blick auf die ganzen kleinen 4000er des Monte Rosa Massivs und kann gut die weitere Route studieren. Da auf dem Gipfel nicht wirklich Platz ist, steigen wir ein Stückchen ab und setzen uns dann in den Schnee, um auf die anderen zu warten. Als alle wieder vollzählig sind, beginnen wir den Abstieg über den zum Teil extrem scharfen Grat – als würde man über einen Dachgiebel laufen. Besondere Vorsicht ist noch einmal auf den letzten Metern geboten, wo der Grat zum Abschluss noch einmal sehr steil wird. Doch wir bringen auch diesen Abschnitt gut hinter uns und legen im Lisjoch erst einmal eine ausgiebige Rast ein.
So langsam weicht die Sonne den Schnee auf, sodass die Steigeisen im Sulz zu stollen beginnen
Auch der Abstieg ist noch einmal maximal ausgesetzt
Dachgiebel!
Die letzten Meter sind zugleich die steilsten!
Dann queren wir schräg hinüber zum nahen Schwarzhorn, an dessen Fuß wir unsere Rucksäcke deponieren. Der Weg zum Gipfel (4321 m) ist nicht wirklich lang, die steile, aber kurze Firnflanke wird in ein paar Serpentinen überwunden und die letzten Meter sind dann über einen Felsgrat hinüber zu queren. Ein Bohrhaken kann hierbei zum Zwischensichern benutzt werden. An der auf dem Gipfel befindlichen Marienstatue angekommen machen wir ein Gruppenfoto und seilen dann direkt von dort aus ab (eingerichtete Abseilstelle) – die Gaudi ist groß, in der Zeit, die uns das gesamte Manöver gekostet hat, hätten wir allerdings auch 3x abklettern können… Zurück bei den Rucksäcken geht es genau in die andere Richtung hinauf, die Ludwigshöhe liegt direkt nebenan. In nur 10 min ist auch dieser Gipfel (4341 m) unser.
Überblick über den weiteren Routenverlauf
Unterwegs in Richtung Schwarzhorn. Den Liskamm lassen wir hinter uns zurück
Der Aufstieg zum Schwarzhorn ist kurz, aber knackig
Ganz oben gilt es über einen Felsgrat zum Gipfel hinüberzuqueren
Wir gönnen uns den Luxus und seilen vom Gipfel ab (ca. 30 m)
Als nächstes geht es zur Ludwigshöhe
Die letzten Meter…
Die Rucksäcke haben wir im Joch zwischen Schwarzhorn und Ludwigshöhe zurückgelassen
Und wieder geht es hinab zu den Rucksäcken, als nächster TOP steht die Vincentpyramide (4215 m) auf dem Programm. Ein kurzer Abstieg bringt uns zum Felsinselchen des Balmenhornes (4167 m), das wir aber rechts liegen lassen und stattdessen nach links abbiegen, um in den Sattel unterhalb der Vincentpyramide über einen weiten Schneehang abzusteigen. Nun geht es gut 150 mH wieder hinauf und schon stehen wir auf dem nächsten 4000er.
Als nächstes steht die Vincentpyramide auf dem Programm. Über den Felsgrat links geht es danach hinab zur Pta Giordani (der kleine Felsabsatz am linken Ende des Grates)
Wir überschreiten den Gipfel und wenden uns dem SW-Grat der Vincentpyramide zu, um über ihn zur Punta Giordani abzusteigen. Leider ist dieser sehr brüchig, sodass nur Sven und ich uns zum Weiterweg entschließen. Die anderen vier steigen wieder zum Gipfel der Vincentpyramide auf und erreichen über den Normalweg rasch das Rifugio Gnifetti (3625 m).
Das Rifugio Gnifetti ist keck auf eine Felsinsel gebaut
Sven und ich folgen dem Grat bis an eine Stelle, an der er für den Weiterweg zu schmal wird. Da es auf der rechten Seite so aussieht, als ob man die Stelle dort umgehen könnte, weichen wir in die Flanke aus. Schnell befinden wir uns jedoch im mega-brüchigem Scheißgelände und müssen uns nun unglaublich vorsichtig vorantasten. Sichern ist auch nicht, da das Gelände dafür schlicht zu brüchig ist. Dabei verlieren wir durch das vorsichtige Vorankommen natürlich sehr viel Zeit und können praktisch dabei zusehen, wie die Wolken aus dem Tal hochgezogen kommen. Endlich ist das Ende der Felsflanke erreicht, über einen Verhauerstand seilen wir die letzten Meter in den Schnee hinunter ab. Leider befinden wir uns nun ganze 100 m rechts des Grates, sodass wir mühsam durch den sulzigen Schnee hinüberqueren müssen. Auf dem Schneegrat angekommen, ist es dann wenigsten nicht mehr weit hinüber zur Punta Giordani (4046 m), die nach einigen Metern leichter Kletterei erreicht wird. Im Nachhinein hätten wir an der Stelle, an der wir nach rechts abgezweigt sind wohl nach links gemusst; dies hatte jedoch unheimlich ausgesetzt ausgesehen, weshalb unsere Wahl eben auch auf die rechte Seite gefallen war. Hier ist also für jeden, der die Giordanispitze so wie wir im Abstieg angeht äußerste Vorsicht angebracht. Im Aufstieg erschien mir die Wegfindung von unten betrachtet einfacher. Nachdem wir den Gipfel erreicht hatten, waren die Wolken endgültig da. Nun half nur noch stumpf der glücklicherweise vorhandenen Spur zu folgen. Dies war auch ohne Probleme möglich, dabei fiel mir jedoch auf, dass wir ab einem bestimmten Moment viel zu tief für das Erreichen der Gnifettihütte waren. Auch hatte ich im Kopf, dass wir einen Felsriegel hätten überqueren müssen, von dem bislang keine Spur zu sehen gewesen war – allein was half’s, wir mussten weiter der Spur folgen und schauen, wo diese herauskam. Endlich hörten wir Stimmen. Zu sehen war jedoch zunächst nichts, da die Sicht unter 50 m gefallen war. Dann erkannten wir eine quer verlaufende Spur, in die unsere Spur mündete und nach kurzer Zeit tauchten auch einige Italiener auf, die von dieser herabkamen. Mit Händen und Füßen fragten wir sie nach der Gnifettihütte und so stellte sich schließlich heraus, dass uns unsere Spur auf den Zustiegsweg zur Hütte gebracht hatte – was im Klartext ganze 300 mH Gegenanstieg für uns bedeutete. Nach 11 Stunden Tour nicht unbedingt das, was man sich wünscht… Aber hinauf mussten wir, also schleppten wir uns den Weg entlang und erreichten gegen 16.45 Uhr völlig k.o. die Hütte. Dort hatten die anderen uns schon erwartet und päppelten uns mit Radler und Knabberkram wieder auf. Glücklicherweise dauerte es so wenigstens nicht mehr so lange bis zum Abendessen, bei dem zunächst Salat und Pasta mit Tomatensauce serviert wurde. Um ja satt zu werden und da unklar war, ob es dabei bleiben würde langten wir kräftig zu und ließen sogar noch einen Nachschlag kommen. Zufrieden und gesättigt blickten wir uns an. Dann allerdings ging die Küchentür erneut auf und der eigentliche Hauptgang wurde aufgetragen: Knusprige Hähnchenschenkel mit leckeren Countrypotatos…
lui
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