Heiligkreuzkofel W-Wand „Große Mauer“
Der Heiligkreuzkofel gehört zu den auffälligsten Berggestalten in Alta Badia. Wer von Bruneck nach Corvara fährt wird nicht umhinkommen, diesen mächtigen, gelben Felsriegel auf der linken Talseite zu bestaunen. Denn ist die Wand auch nicht von überragender Höhe, so ist sie doch – einer Hauswand gleich – durchgehend glatt, ungegliedert, scheinbar unbezwingbar! Dennoch wurden die ersten Wege durch dieses Gemäuer schon bereits relativ früh gefunden. 1969 schuf dann Reinhold Messner gemeinsam mit Hans Frisch die „Große Mauer“, die, wie der Name eigentlich schon sehr treffend sagt, mitten durch diese große Mauer zieht. Erscheint die Wegführung aus der Ferne doch sehr zufällig, so ist es aus der Nähe betrachtet eine absolut logische, ja eine geradezu herausfordernde Linie. Genau richtig für alle, die auch einmal einen von den unbekannteren, aber dennoch nicht minder großen Klassikern machen möchten.
Überblick über die Route und den Zustieg
„Große Mauer“ – unterer Teil
Heiligkreuzkofel W-Wand „Große Mauer“
Kurt und ich treffen uns um 8 Uhr auf dem Parkplatz des Sessellifts, der von Badia nach Heiligkreuz hinaufführt. Es ist noch frisch und so ziehen wir denn auch alles, was wir dabei haben, an, als wir mit der ersten Bahn um 8.30 Uhr hinauf fahren. Es ist noch alles in Wolken, aber es ist abzusehen, dass diese nur eine dünne Schicht bilden oberhalb derer es klar sein muss. So ist es denn auch, als wir auf Heiligkreuz ankommen: Über uns ein dunkelblauer Himmel, darunter sämtliche Gipfel als Klippen die aus dem Wolkenmeer herausragen. Wir folgen Weg Nr. 7 in Richtung Heiligkreuzkofel. In einigen Kehren geht es zunächst steil durch Latschen hinauf, dann flacht es ab und der Weg zieht nach rechts hinüber in Richtung Kreuzkofelscharte.
Im Zustieg zum Wandfuß. Die Route verläuft (nicht zu sehen) am oberen linken Bildrand
Wir verlassen den Latschenwald und wandern ein kurzes Stück den Wandfuß entlang. Nachdem die weiß-rote Wegmarkierung stets auf die Felsen gemalt war kommen wir schon bald an eine Stelle an der sie auf einen Holzpflock aufgemalt ist. Dies ist für uns das Signal den Aufstieg über den Wandfuß zu beginnen. Wir ziehen die Helme an und gehen gerade den Hang hinauf in Richtung Wand. Nach kurzer Zeit erreichen wir den ersten Steinmann. Weiteren Steinmännern folgend geht es zuerst im zick-zack mehr oder weniger direkt hinauf, dann folgen wir einer langen Querung nach links. Kurz vor der Mayerl-Verschneidung queren wir wieder nach rechts zurück und steigen zuletzt schräg hinauf zu dem schon von weitem erkennbaren Einstieg (weiße Schlinge) an der markanten Verschneidung.
Der Weg durch den Wandfuß ist nicht ganz einfach zu finden, auch wenn er mit Steinmännern markiert ist
Im oberen Teil ist der Weg jedoch besser und verläuft häufig über mehr oder weniger gut ausgeprägte Bänder
Zunächst schauen nur die höchsten Gipfel über den Wolken heraus (hier die Marmolada) – eine tolle Stimmung!
Bis hierhin benötigen wir 1 ½ Stunden. Mittlerweile verziehen sich die Wolken im Tal zusehends und wir genießen den Ausblick. Dann steigt Kurt in die erste Seillänge (V) ein. Diese ist, wie wohl jeder, der sie bereits durchstiegen hat, eine reine Pflichtübung, denn von Genuss kann keine Rede sein. In äußerst brüchigem, gelbsplittrigem Fels geht es ein paar Meter hinauf in eine auch nicht wirklich stabilere Verschneidung rechts einer Riesenschuppe. Besonderes Highlight: In dieser Verschneidung stecken alle paar Meter labile Klemmblöcke in allen Größen, die jederzeit bei versehentlichem Antreten mit dem Fuß ihre Reise nach unten antreten können. Der schwierigste Abschnitt in dieser recht langen Seillänge ist der abdrängende obere Teil. Es folgt ein sehr komfortabler Standplatz.
In der nächsten Seillänge (V+) muss man sich am ersten Zug ein wenig strecken, aber mit ein wenig Schwung geht es. Dann relativ leicht nach rechts über den ersten Aufschwung, dann nach links hinein in die Verschneidung, die etwas kraftraubend über die riesigen, darin steckenden Blöcke überwunden wird.
In der zweiten Seillänge (V+). Kurt überwindet gerade die eingeklemmten Blöcke
Nun steht man direkt unter dem riesigen, dunklen und nicht unbedingt einladenden Kamin (IV+). Dieser löst sich jedoch besser als es aussieht, ist allerdings sehr glatt, sodass man beim Stehen aufpassen muss. Am besten geht man nicht zu tief hinein, wobei dies zum Anbringen von Zwischensicherungen teilweise nicht ganz zu vermeiden ist. Insgesamt ist diese Länge allerdings nicht allzu üppig absicherbar. Also hinein ins Vergnügen. Man hält sich am Anfang am besten auf der linken Seite, wo einige Schuppen gute Griffe vermitteln. Nach dem ersten Aufschwung findet sich dort außerdem ein ganz neuer und stabiler Haken. Im oberen Teil geht es weit ausspreizend dann wieder dem Tageslicht entgegen.
Die etwas furchterregende 3. Seillänge (IV+)
Es folgt die 4. Seillänge (V+). Hier ist es wichtig direkt am Beginn mehrere Meter nach links zu queren, um die dort in der kleinen Verschneidung befindliche Schuppe zu erreichen. Wir sind an dieser Stelle geradeaus hinauf über die Platte, was zwar auch möglich, aber auf jeden Fall deutlich schwerer ist. Dann geht es wieder in einer riesigen und oben etwas abdrängenden Verschneidung hinauf, bis man schließlich auf dem großen Band in Wandmitte steht.
Wir sind hier geradeaus hinauf – günstiger wäre es, zunächst nach links hinüberzuqueren in den gut erkennbaren Riss und diesem dann zu folgen
Die vierte Seillänge (V+) im Überblick
Wir haben bis hierhin 2 Stunden vom Einstieg benötigt. Nun gönnen wir uns eine kurze Pause und essen eine Kleinigkeit. Man kann jedoch sagen, dass die Felsqualität bis hierhin stetig zugenommen hat. In der oberen Hälfte ist sie dann sogar wirklich ausgezeichnet. Dass hier der Beginn der eigentlichen Schwierigkeiten ist, wird beim Blick nach oben sofort klar: Senkrecht zieht die Route nun direkt durch eine relativ glatte gelbe Wand.
Genialer Ausblick vom großen Band in Wandmitte
Die 5. Seillänge (VII-) beginnt auf den ersten fünf Metern noch relativ großgriffig, dann wird es jedoch wirklich relativ anstrengend. An Seitschuppen geht es ziemlich pumpig durch den Mittelteil, erst im oberen Drittel, bei dem es nach rechts entlang einer Schuppe geht, gibt es die ein oder andere vernünftige Schüttelposition. Ein kleiner Quergang leitet hinüber zum guten Standplatz am Beginn einer Verschneidung.
Kurt im anspruchsvollen, mittleren Teil der fünften Seillänge (VII-)
Die fünfte Seillänge im Überblick
Kurz vor dem Standplatz (5. SL)
Nun folgt wirklich der Höhepunkt der gesamten Tour und eine der, ich denke dies ohne Scheu behaupten zu können, schönsten Seillängen (VI; kurze Stelle vor dem Stand ansonsten leichter) in den gesamten Dolomiten. Durch die Verschneidung auf guten Tritten hinauf bis zu der sogar von Heiligkreuz aus sichtbaren Riesenschuppe. An ihr entlang, wobei die Griffe dabei stets so gut sind, dass man die Kletterei ausreichend genießen kann. Dummerweise endet die Schuppe circa 2 Meter vor dem Standplatz. Es gilt nun die dazwischenliegende, glatte Wandstelle über 2 Untergriffe recht pressig mit einem großen Schritt zu überwinden. Dann noch einmal kurz und gutgriffig hinauf.
Die ersten Meter der 6. Seillänge (VI)
Dieser Tourabschnitt dürfte wohl in den Dolomiten und darüberhinaus seinesgleichen suchen…
Wahnsinnskletterei an der Riesenschuppe
… doch nach der Kür folgt die Pflicht, die übrigens für den Nachsteiger genauso unangenehm wie für den Vorsteiger ist…
…den Zwischenraum zwischen den beiden Schuppen gilt es an kleinen Untergriffen ganz schön pressig zu überwinden (VI)
Die 7. Seillänge (VI-) bildet eigentlich nur den Zustieg zur letzten Seillänge, da ansonsten zu viel Seilreibung entstehen würde. Über einen Riss geht es recht gutgriffig, aber pumpig etwa 10 Meter senkrecht hinauf, dann waagerecht 5 Meter nach links zum Standplatz. Diese Querung ist jedoch gar nicht so leicht, insbesondere kurz vor dem Stand muss man an zwei Seitleisten noch einmal ganz ordentlich zupacken.
7 SL (VI-): An dem Riss gerade hinauf
Hier noch einmal von oben
Dann 5 Meter Quergang nach rechts
Dieser ist klettertechnisch zwar auch wieder superklasse, aber doch auch anstrengend
Jetzt ist das Ende zwar absehbar, aber doch noch eine Kraftanstrengung entfernt. Eine endlose Schuppe (VII-) leitet senkrecht in direkter Linie zur Abbruchkante. Diese Seillänge ist noch einmal richtig anstrengend, denn die Schuppe muss in Piaztechnik über beständig glatte und schlechte Tritte überwunden werden. Dabei sollte man sich auch nicht zu früh freuen, die schwierigste Stelle kommt direkt vor dem Ausstieg. Eine A0-Schlinge deutet an, dass hier öfter herzhaft zugepackt wird.
Die achte und letzte Seillänge (VII-) fordert noch einmal die letzten Kraftreserven: An diesem Riss geht es senkrecht hinauf…
…dabei muss fast die ganze Zeit gepiazt werden
Der Standplatz befindet sich ca. 3 Meter unter der Kante, diese letzten Meter sind aber leicht und können ohne Probleme seilfrei bewältigt werden. Es ist dann direkt komisch, so plötzlich aus der Senk- in die Waagerechte auszusteigen. Die Uhr zeigt 15.20 Uhr, damit haben wir vom Einstieg 4.50 Stunden benötigt. Nun gönnen wir uns eine zünftige Brotzeit, denn der Abstieg ist kein Problem mehr. Allerdings können wir uns auch nicht zu viel Zeit lassen, denn die letzte Bahn fährt um 17.15 Uhr. Im Sauseschritt geht es daher zunächst in einer Viertelstunde in die nahegelegene Kreuzkofelscharte und von dort über den zum Teil mit Drahtseilen versicherten Wanderweg nach Heiligkreuz. Durch die westliche Exposition kommen wir in der Nachmittagssonne ganz schön ins Schwitzen. Gegen 17 Uhr erreichen wir die Gipfelstation der Bahn und genießen es, bei der Talfahrt die Beine baumeln zu lassen.
Über das Kreuzkofelplateau geht es zunächst zur Kreuzkofelscharte (Einschartung in Bildmitte links)
Und dann über den teilweise als Klettersteig ausgebauten Weg Nr. 7 zurück zum Heiligkreuzhospitz
Der Heiligkreuzkofel vom Hospitz aus gesehen. Die „Große Mauer“ zieht durch den rechten Wandteil (die ersten Längen führen durch die rechte der beiden gut sichtbaren grauen Verschneidungen)
Erstbegehung: Reinhold Messner und Hans Frisch, Sommer 1969
Ausgangspunkt: Heiligkreuzhospitz (2045 m), denkbar einfach zu erreichen über zwei Sessellifte
Zustieg: Über Weg Nr. 7 in einigen Kehren durch den Latschenwald. Dann zieht der Weg nach links in Richtung Kreuzkofelscharte. An einem Holzpflock mit weiß-roter Wegmarkierung nach links hinauf in Richtung Wand bis zum ersten Steinmann. Nun den Steinmännern zuerst gerade hinauf, dann nach links (anfangs schwer zu finden, später dann gute Wegspuren) queren. Im oberen Teil, sobald möglich wieder nach rechts bis unter die Route zurückqueren (Wegspuren) und dann den letzten Steilaufschwung in einer Schlucht ansteigend überwinden (1 ½ Std.).
Einstieg: In der markanten, gelben Verschneidung (weiße Schlinge)
Länge: 8SL/ 250 mH/ 5-6 Std.
Schwierigkeit: VII-
Absicherung: In der unteren, leichteren Hälfte steckt nicht allzu viel. Pro Seillänge maximal 1-2 Normalhaken, auch bei den Standplätzen ist viel Eigeninitiative gefragt. Oben sind die Seillängen dann ganz gut mit Haken bestückt, können allerdings je nach persönlichem Sicherheitsbedürfnis durchaus noch verbessert werden. Wir hatten einen kompletten Satz Friends (bis Größe 3), ca. 10 Expressen und 5-6 60 cm Schlingen, sowie einen Hammer und Haken dabei.
Abstieg: Der Ausstieg endet nicht auf dem Gipfel. Wer diesen besteigen möchte muss vom Ausstieg noch etwa 15-20 min rechnen. Vom Ausstieg erreicht man schnell den gut sichtbaren Weg Nr. 7B und folgt ihm in einer Viertelstunde in die Kreuzkofelscharte. Nun über den teilweise versicherten Weg Nr. 7 zunächst gerade hinab, dann in einer langgezogenen Rechtsquerung unter den Wänden hinab zum Heiligkreuzhospitz (1 ¼ – 1 ½ Std.). Die letzte Bahn fährt um 17.15 Uhr.
Weitere Routen: „Mittelpfeiler“; VIII (VII mit Variante)
Tipp/ Planung: Man muss nicht unbedingt auf dem Heiligkreuzhospitz übernachten, die Route ist auch bei Benützung der ersten Bahn durchaus am gleichen Tag zu schaffen. Allerdings wird der Abstieg dann – so wie bei uns – wohl meist recht zügig verlaufen müssen (wir benötigten 1.10 Std., bei äußerster Eile sollte es auch in 1 Stunde gehen). Foto nicht vergessen – es bieten sich unvergessliche Motive am laufenden Band!
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