Große Zinne N-Wand „Comici“
Die „Comici“ an der Nordwand der Großen Zinne gehört sicher zu den bekanntesten und begehrtesten Kletterrouten der Dolomiten, wenn nicht sogar der Alpen überhaupt. Wohl keiner, der einmal selbst unter dieser Wand gestanden hat wird sich ihrem Sog entziehen können: Eine Mauer von 550 m Höhe, das Ende nicht sichtbar, unglaublich steil, teilweise sogar überhängend und im wahrsten Sinne des Wortes so glatt wie eine Hauswand. Nicht umsonst wird sie zu den 6 großen Nordwänden der Alpen gezählt und bietet innerhalb dieser Liste noch dazu die höchsten technischen Schwierigkeiten. An dieses Gefühl der Ausgesetztheit muss man sich erst einmal gewöhnen, zumal die Kletterei im unteren Teil auch durchgehend sehr anstrengend ist. Wer jedoch am Ringband, nach der langen Zeit im Schatten der Wand, die ersten Sonnenstrahlen auf dem Rücken spürt, darf sich glücklich schätzen, einen Meilenstein der Alpingeschichte begangen und erlebt zu haben. Die Kletterei an sich ist wirklich sehr lohnend, häufig an kleinen Leisten und Schuppen und größtenteils durch die vielen Begehungen bestens ausgeputzt. Auch die Stände sind, obwohl es von unten nicht den Anschein hat, in der Regel sehr großzügig und bequem.
Erstbegehung: Emilio Comici, Giuseppe und Angelo Dimai; 12.-14.08.1933
Ausgangspunkt: Parkplatz am Rifugio Auronzo (2330m), 18 km von Cortina d’Ampezzo (20 € Maut für Straße zum Rif. Auronzo!)
Zustieg: Auf bezeichnetem, breitem Weg zum Rif. Lavaredo und weiter zum Patternsattel (2454m). Von hier auf Steigspuren unter die Nordwand queren (45 min).
Einstieg: Direkt in der Verschneidung zwischen Wand und Vorbau, von links nach rechts auf den Vorbau hinauf.
Länge: 550 mH/ 19 SL/ 7-9 Std. (inkl. Ausstiegslängen)
Schwierigkeit: VII (VI/A0)
Absicherung: Im unteren Teil sehr viele Normalhaken, auch an den Ständen. Im oberen, leichteren Teil dann weniger Haken aber gut absicherbar. Wir hatten nur einen kompletten Satz Friends dabei, evtl. dazu noch einen Satz Keile; 5 Schlingen (60 cm).
Abstieg: Über den Normalweg (2½-3 Std.).
Weitere Routen: | N-Wand „Hasse/Brandler“, VIII+ (VI/A2) N-Wand „Superdirettissima“, V+/A2 N-Wand ,,Camilotto-Pellessier”, X N-Wand ,,Das Phantom der Zinne”, IX+ NO-Kante ,,Dibonakante“, IV S-Wand ,,Normalweg“, III |
Tipp/ Planung: Spätestens um 6 Uhr am Einstieg sein, evtl. sogar eine Viertelstunde früher um nicht in den unvermeidlichen Stau zu geraten. Der Vorbau kann gleichzeitig kletternd zurückgelegt werden. Wer noch Zeit und Lust hat, sollte auch die Ausstiegslängen mitnehmen. Ganz so schlimm wie in den meisten Führern angegeben sind sie nun auch wieder nicht…
Ich traf mich mit Kurt, meinem Bergführer um 5 Uhr morgens auf der Straße von Misurina zum Rif. Auronzo, wo er zu uns mit ins Auto stieg, sodass wir die Maut nur ein Mal entrichten mussten. Vom Rif. Auronzo ging es auf breitem Weg immer leicht ansteigend zum Patternsattel (2454 m).
Die drei Zinnen im ersten Morgenlicht
Von dort auf Wegspuren über die Geröllfelder unter den Zinnen entlang bis zu dem markanten Vorbau im rechten Teil der Großen Zinne Nordwand. Während wir das Kletterzeug anlegten, trudelten nach und nach immer mehr Seilschaften ein und als wir schließlich aufbruchsbereit waren, hatte sich bereits eine kleine Menschengruppe gebildet. Einstieg um 6 Uhr als zweite Seilschaft.
Blick vom Einstieg hinauf in die unglaublich glatte Wand der großen Zinne – unvorstellbar, dass hier eine kletterbare Linie durchführt!
Es ging zunächst in leichter Kletterei (II) ca. 80 m auf den „Gipfel“ des Vorbaus. Bis dorthin kletterten wir gleichzeitig und machten nun den ersten Stand. Von hier nach links entlang eines breiten Risses (IV), zuletzt an großen Schuppen (II) zu gutem Stand. Hier beginnen die Hauptschwierigkeiten: Zuerst an einem Riss ca. 3 m senkrecht nach oben und dann 3-4 m nach links auf eine Platte mit sehr kleinen Griffen und schlechten Tritten queren (VII). In der Zwischensicherung der Querung hängt jedoch eine Schlinge, an der man sich gut über die Stelle „hinübermogeln“ kann. Kleiner Tipp für Rotpunktaspiranten: Die Querung eher etwas höher ansetzen. Nach der Querung wieder etwas leichter (VI) in einem Linksbogen zum Stand. Über ein kleines Dächlein und einen Riss (VI+), dann an guten Griffen zum 4. Stand. Nach einer kurzen Linksquerung gerade hinauf (VII-), dann etwas nach rechts zum Stand auf einer abgespaltenen Schuppe.
Die Seilschaft hinter uns in der 5. Seillänge
Der Stand der 5. Seillänge an der abgespaltenen Schuppe. Unten ist gut der Einstieg am Wandvorbau zu sehen
Die folgende Seillänge ist die „leichteste“ des unteren Teils: Geradeaus einem Riss folgend (VI), zuletzt an guten Griffen geht es zum Standplatz der 6. Seillänge. Die Hauptschwierigkeit der nun folgenden Seillänge bildeten die ersten 5 m vom Standplatz aus. Hierbei geht es in einer seichten Verschneidung aus weißem Fels zunächst gerade hinauf (VII-, kann aber auch gut „genullt“ werden), dann ein wenig nach rechts und schließlich wieder geradeaus zum Stand (VI+).
In der 7. Seillänge
Nun kommt noch einmal eine der schwierigsten Längen. Zuerst an der Grenze zwischen einem gelben und schwarzen Wandteil gerade hinauf (seichte Rissspur), dann sehr anstrengend nach rechts auf schwarze Wand queren (VII). Allerdings hängen auch hier an den Haken zum Teil alte Schlingen, an denen man sich diese Stelle etwas erleichtern kann. Hauptproblem sind die schlechten, plattigen Tritte. Nach der Querung wieder an besseren Griffen gerade hinauf zum 8. Stand (VI+).
In der schwierigen Querung der 8. Seillänge. Deutlich kommt hier die Ausgesetztheit heraus, die die Zinnenwände so einzigartig macht
Nach der Querung geht es gerade hinauf zum Stand
Blick hinüber in den zentralen Wandteil. In der Hasse/Brandler ist einiges los, aber auch in der Sachsendirettissima ist eine Seilschaft unterwegs
Nach einer weiteren Seillänge (VI-) war das Ende der Schwierigkeiten erreicht. Ein wenig rechts von diesem Stand befanden sich auch zwei große Bohrhaken, von denen aus eine Rettung aus dem unteren Teil durch die Bergwacht durchgeführt werden kann. Die nun anschließende Seillänge (IV+) führt schräg nach links zum Beginn des riesigen Verschneidungssystems im oberen Wandteil. Danach eine absolute „Ausruhlänge“: In herrlich gestuftem Gelände (III) geht es immer weiter schräg links. Dann kurz geradeaus (IV) und nach rechts zum Stand unterhalb einer weiteren Verschneidung. 30 m gerade hinauf zum Stand (V-). Jetzt gutgriffig, leicht nach links zum Stand in einer kalten, feuchten Nische (IV+). Dieses ist mit Abstand der unangenehmste Standplatz der gesamten Tour, vor allem da der Kontakt zum Partner in der folgenden Seillänge durch diese Höhle sehr schwierig wird. In der Nische zuerst kaminartig nach oben (V). Auf der Kante beginnt dann der ca. 20 m lange Quergang nach links, der durch die plötzliche Ausgesetztheit noch einmal eine der spektakulärsten Stellen darstellt. Trotzdem ist diese Stelle nicht schwierig, man quert stets an gutgriffigen Bändern (IV+) zum Stand am Ende des Quergangs.
Der abschließende Quergang ist zwar nicht schwer…
…aber noch einmal ziemlich ausgesetzt!
Von hier erreicht man in zwei leichten Längen (III+) rasch das Ringband. Dort bietet sich die Möglichkeit auf dem Ringband nach rechts aus der Wand hinauszuqueren; man trifft dann auf der Südseite des Berges auf den Normalweg (Abstieg). Wir jedoch kletterten auch die letzten 3 Seillängen bis zum Gipfel. Diese sind zwar nicht schwierig (III-IV), aber brüchig. Wenn man jedoch aufmerksam und vorsichtig klettert, sind sie gut zu machen. Man folgt dazu vom Ringband einer breiten Schlucht, die sich nach oben hin immer weiter verjüngt, bis man schließlich die letzte Seillänge in einem Kamin zurücklegt (hier herrscht erhöhte Steinschlaggefahr für den Nachsteiger bzw. nachfolgende Seilschaften). Danach quert man um den Berg herum auf die Südseite und steigt die letzten Meter über den Normalweg zum Gipfel.
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