Handwerkliche Umsetzung
Während es klar ist, dass Sicherheitsaspekte in einer Route eine wichtige Rolle spielen, mag es für einen angehenden Routenbauer vielleicht nicht intuitiv sein, dass eine gute Route auch eine wesentliche handwerkliche Komponente beinhaltet. Routenbau ist Handwerk – wenn auch ein äußerst kreatives. Daher ist eine handwerklich korrekte Route in vielerlei Hinsicht unabdinglich: Sie schont das Material (Wände und Griffe), vermeidet Verletzungen im Falle eines Sturzes und trägt zu verbesserter Übersicht bei hoher Routendichte bei.
Vieles gilt es bereits bei der reinen Befestigung der Griffe zu beachten. Die Länge der verwendeten Schraube richtet sich natürlich primär nach dem Abstand zwischen der Wandoberfläche und dem Gewinde. Somit muss bei tiefer eingesenkten Gewinden die Schraube weiter aus dem Griff herausragen als bei Gewinden, die mehr oder weniger direkt an der Wandoberfläche ansetzen. Als Richtwert kann ein Überstand der Schraube von 2 – 3 cm verwendet werden.
Bei tiefliegenden Gewinden müssen längere, bei hochliegenden Gewinden kürzere Schrauben verwendet werden. So kann es sein, dass ein und der selbe Griff mit 3 unterschiedlich langen Schrauben befestigt werden muss
Viele neuere Griffe weisen im Bohrloch bereits eine metallene Verstärkung auf. Ist diese nicht vorhanden sollte immer eine Unterlegscheibe zum Einsatz kommen, da sich das Bohrloch sonst nach mehreren Einschraub-Herausschraub-Zyklen einschleift.
Rechts (roter Griff) ein nach heutigen Standarts produzierter Griff mit metallener Verstärkung im Bohrloch. Fehlt diese (pinker Griff), so schleifen sich die Bohrlöcher immer tiefer ein, wodurch sich die Bruchgefahr deutlich erhöht. In diesem Falle sollte stets mit einer Unterlegscheibe (Schraube in der Mitte) gearbeitet werden
Beim Anziehen der Griffe muss stets mit viel Gefühl gearbeitet werden, da sonst ein Brechen des Griffes droht. Dies gilt insbesondere für Polyestergriffe; Griffe aus Polyurethan (PU) hingegen sind wesentlich widerstandsfähiger. Die meisten Hersteller empfehlen ein Anzugsmoment von 20-25 Nm für die Griffgrößen XS-S, 30-35 Nm für M und 40-45 Nm für L-XXL. Am besten arbeitet man die ersten Male mit einem Drehmomentschlüssel, bis sich die erforderliche Drehkraft eingespielt hat. Vor allem bei Tritten sollte nicht mit größerer Hebelwirkung gearbeitet werden, da diese meist so dünn sind, dass selbst vorsichtiges Nachziehen unweigerlich zum Bruch führt. Bei der Kraft, die für das Festziehen der Griffe aufgebracht wird ist außerdem die Verankerung des Gewindes zu beachten. Dieses ist meist mittels zwei Spaxschrauben in der Wand robust verankert und kann dann relativ sorglos behandelt werden. Anders sieht es dagegen bei Gewinden aus, die mithilfe von kleinen „Zähnen“ im Holz befestigt sind bzw. bei verklebten Gewinden, wie sie wohl nur noch auf alten GFK-Wänden anzutreffen sind. Hier muss beim Anziehen mit erhöhter Vorsicht gearbeitet werden. Wird ein Akkuschrauber verwendet, so muss sorgfältig darauf geachtet werden, die Schraube exakt senkrecht auf dem Gewinde aufzusetzen, da durch die hohen Kräfte, die beim Einschrauben entstehen, ein Gewinde bei einer verkeilten Schraube schnell zerstört wird. Empfehlenswert ist es, sich für einen solchen Fall, der durchaus auch beim nicht-mechanischen Eindrehen einer Schraube passieren kann, einen Gewindeschneider zuzulegen, mit dem das Gewinde dann in der Regel „gerettet“ werden kann.
Beim Positionieren des Griffs auf strukturierten, unebenen Wänden muss sichergestellt werden, dass sich kein Hohlraum zwischen Wand und Griffauflagefläche bildet, da dieser sonst beim Anziehen schnell bricht. Passt ein Griff nicht auf ein bestimmtes Loch, so muss an dieser Stelle mit einem anderen, vielleicht etwas kleineren Griff gearbeitet werden. Ist ein kleiner Hohlraum nicht zu vermeiden, so darf der Griff nur mit allergrößter Vorsicht festgezogen werden. Diesbezüglich unproblematisch sind Griffe aus PU, da sie sie sich verbiegen und sich dem Hohlraum anpassen können.
Soll ein Griff in der Nähe einer Kante befestigt werden, so darf dieser höchstens bis zur Kante reichen und nicht darüber hinaus.
Gefährlich: Der über die Kante hinausragende Teil ist scharfkantig und provoziert geradezu Verletzungen. Wird er Gegriffen, entstehen darüber hinaus hohe Hebelkräfte, die selbst große Griffe schnell brechen lassen. Ein weiterer Fehler: Der Griff ist durch seine Positionierung viel zu nahe am benachbarten Griff, sodass dieser nicht mehr ungehindert verwendet werden kann
Größere Griffe, oft schon ab Größe L, besitzen in der Regel zusätzliche Löcher für Spaxschrauben. Diese können natürlich durchgehend mit Schrauben versehen werden, es ist meiner Meinung nach aber auch vertretbar, die Spaxschrauben in bestimmten Fällen wegzulassen, da diese beim Herausschrauben natürlich einen erhöhten Arbeitsaufwand erfordern. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn an dem Griff durch das Greifen oder Treten keine Hebelwirkung auftritt und die zu erwartende Belastung senkrecht von oben auf die Schraube einwirkt. Zudem sind bei manchen Griffherstellern auch bereits kleinere Griffe, an denen per se keine größeren Hebelkräfte entstehen können, mit solchen Zusatzlöchern versehen – hier erbringt ein zusätzliches Verspaxen keinen sicherheitstechnischen Vorteil. Ist hingegen eine Hebelbelastung vorhersehbar (vor allem dann, wenn sie entgegen des Uhrzeigersinns, also in der Richtung, in der die Schraube aufgedreht wird, auftritt), so sollte auf eine zusätzliche Befestigung des Griffes nicht verzichtet werden. Sehr große, schwere Griffe sollten allein aus Sicherheitsgründen sowieso immer verspaxt werden. Bietet ein Griff keine Möglichkeit, ein ungewolltes Verdrehen in Form zusätzlicher Löcher zu verhindern, so kann auch ein direkt darunter geschraubter, an den Griff anliegender Tritt diese Aufgabe übernehmen.
Griffe, bei denen hohe Hebelkräfte zu erwarten sind müssen grundsätzlich mit einer zusätzlichen Schraube versehen werden. Darauf kann nur dann verzichtet werden, wenn die Belastung senkrecht zur Griffrichtung erfolgt
Alternativ zu Spaxschrauben kann ein Verdrehen des Griffs auch durch einen direkt darunter gesetzten Tritt verhindert werden
Doch nicht nur dem korrekten Verschrauben eines Griffes sollte Aufmerksamkeit geschenkt werden, auch bei der Positionierung des selbigen sind einige wichtige Punkte zu beachten. So führt beispielsweise ein Griff, der so platziert wurde, dass der Expresshaken einer Zwischensicherung auf ihm aufliegt, unweigerlich zu ärgerlicher „Fummelei“ beim Einhängen.
Schlecht positionierter, unter einer Zwischensicherung befindlicher Griff
Griffe sollten sich grundsätzlich nicht unter dem Seilverlauf befinden, da sie sich ansonsten durch die Reibung des beim Ablassen straff gespannten Seiles innerhalb kürzester Zeit einschleifen. Dies gilt allerdings hauptsächlich für größere, abstehende Griffe; Tritte sowie Griffe der Größe S-M werden dadurch in der Regel nicht tangiert.
Der große rote Griff befindet sich genau unter dem Seilverlauf. Dadurch hat er sich an seiner oberen Kante schon deutlich eingeschliffen
Weiterhin ist beim Verschrauben sehr großer Griffe – bei Volumen sowieso – zu beachten, dass diese sich nicht im zu erwartenden Sturzgelände befinden, sondern außerhalb, z.B. in etwas Abstand seitlich der Hakenreihe. Bei vorhandenen Volumen muss zusätzlich darauf geachtet werden, dass auf ihnen nur kleinere bis mittlere, flache Griffe befestigt werden. Da diese recht weit von der Wand abstehen und so im Falle eines Sturzes ohnehin schon ein gewisses Gefährdungspotential bieten, soll dieses nicht noch durch davon abstehende Griffe potenziert werden.
Routen sollen kreativ sein – die Kreativität hört allerdings da auf, wo sie die Kreativität eines anderen Schraubers beeinträchtigt. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein neu eingeschraubter Griff durch seine Ausrichtung oder seine schiere Größe das Greifen eines bereits bestehenden Griffes einschränkt oder gar unmöglich macht. Ferner darf die neue Route anderen Routen gleicher Farbe nie so nahe kommen, dass Griffe von beiden Routen gleichzeitig benutzt werden können. Dies ist nicht nur aus Kundensicht ärgerlich (unklarer Routenverlauf), sondern auch aus der Sicht des Routenbauers (durch die zusätzlichen Griffe können eigentlich zwingende Züge auch anders gelöst werden). Ist von vornherein klar, dass für eine Neutour einer bestimmten Farbe nicht genügend Raum zur Verfügung steht, so sollte besser auf eine andere Farbe ausgewichen werden, wenigstens jedoch die Route zusätzlich mit Tapestreifen markiert werden.
Als besonders kundenorientierter Schrauber kann man nach Beendigung der Route Schlüsselpassagen oder runde Griffe einchalken, um so den nach dem Spülen häufig sehr glatten Griffen mehr Griffigkeit zu verleihen.
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